Was sind Sprachauffälligkeiten?

Kein sprachauffälliges Kind ist wie das andere. Jedes unterscheidet sich durch individuelle Besonderheiten von anderen Kindern, so wie sich ja auch sonst Kinder durch persönliche Eigenheiten voneinander unterscheiden.

Die unterschiedlichen Problembereiche bei Sprachauffälligkeiten:

1. Probleme mit der Aussprache

Das Kind kann nicht alle Laute der deutschen Sprache deutlich aussprechen. Deshalb lässt es manchmal die problematischen Laute einfach weg oder ersetzt sie durch Laute, die es besser sprechen kann. Besonders häufig sind davon die Verbindungen mit –sch- oder –s- betroffen, aber auch Wörter mit d/t oder g/k oder –r- bereiten den Kindern Schwierigkeiten. Solange das Kind noch klein ist, klingt es recht lustig, wenn es z.B. sagt „Tannst du mir die Sere deben?“. Aber sobald das Kind in die Schule kommt, sollte es in der Lage sein, alle Laute richtig zu verwenden. Ist das nicht der Fall, spricht man von einer Sprachauffälligkeit auf der „Ebene der Aussprache“ (Phonetisch – phonologische Ebene).

2. Probleme mit dem Wortschatz

Kinder erwerben ab einem Alter von ca. 2 Jahren etwa 10 neue Wörter täglich. Wenn sie mit 6 Jahren in die Schule kommen, verfügen sie über einen Wortschatz von ca. 14 000 Wörtern. Aber nicht bei allen Kindern verläuft der Wortschatzerwerb mit einer solchen Leichtigkeit. Sprachauffälligen Kindern fällt es sehr viel schwerer, sich die Bedeutung bestimmter Wörter zu merken und sie in den entsprechenden Situationen richtig anzuwenden.  Eltern bemerken dann, dass das Kind oft sehr lange braucht, um das richtige Wort zu finden oder dass es mit „na du weißt schon“ oder „das Dingsda“ antwortet. Mitunter bildet das Kind ganz neue Wörter, weil ihm das richtige Wort nicht einfällt („Schwarzvogel“ statt „Amsel“) oder es umschreibt die Begriffe, die ihm nicht einfallen. Um nicht ständig mit dem eigenen Unvermögen konfrontiert zu werden, spricht das Kind verhältnismäßig wenig. Ist das der Fall, spricht man von einer Sprachauffälligkeit auf der „Ebene des Wortschatzes“ (Semantisch – lexikalische Ebene).

3. Probleme mit der Grammatik

Der Erwerb der deutschen Grammatik fällt vielen sprachauffälligen Kindern schwer, da es viele spezifischen Besonderheiten gibt, die sich selten durch Regeln herleiten lassen. Das Kind benötigt ein gewisses „Sprachgefühl“, es muss sozusagen spüren können, dass es sich „richtig“ anhört. Vielen sprachauffälligen Kindern fehlt dieses Gespür. Störungen in der Grammatik gehören zu den häufigsten kindlichen Sprachstörungen im Vorschulbereich. Ab dem Schuleintritt sollte das Kind alle grammatischen Strukturen sicher beherrschen. Ist das nicht der Fall, stellen Eltern  z.B. fest, dass das Kind häufig nur in Ein – oder Zweiwortsätzen spricht („Ich Ball“ – „Ich möchte den Ball haben“), Satzglieder miteinander vertauscht werden („Habe ich gegrillt am Wochenende.“) oder die Verben falsch gebeugt werden („Ich Ball haben will!“). Auch die richtige Verwendung der Zeitformen gelingt dem sprachauffälligen  Kind nicht. Trifft das für das betroffene Kind zu, spricht man von einer Sprachauffälligkeit auf der „Ebene der Grammatik“ (Morphologisch – syntaktische Ebene).

 4. Probleme mit dem Sprachverständnis

Probleme im Sprachverständnis werden oft erst bei Schuleintritt erkannt, denn erst jetzt spielt das Verstehen von Sprache, insbesondere das Verstehen von Aufgaben und Anweisungen eine große Rolle und sind wesentlich ausschlaggebend für den Schulerfolg. Hat das betroffene Kind Schwierigkeiten in diesem Bereich, fällt Eltern auf, dass es Arbeitsaufträge, die mehrere Aufgabenbereiche beinhalten, nicht ausführen kann („Bevor du die Hände waschen gehst, ziehe bitte erst deine Schuhe aus.“). Es wird dem Kind auch schwer fallen, etwas Vorgelesenes nachzuerzählen oder auf Inhaltsfragen zu antworten. Eventuell wird der Lehrer das Gespräch mit den Eltern suchen und erzählen, dass das betroffene Kind oft nicht weiß, was es machen soll, selbst wenn die Aufgaben genau erklärt worden sind, und dass es sehr unorganisiert und desorientiert wirkt („verständnislos“) und im Unterricht oft unkonzentriert ist. Ist das der Fall, könnte eine Sprachauffälligkeit auf der „Ebene des Sprachverständnisses“ vorliegen (Pragmatisch – kommunikative Ebene).

5. Probleme mit dem Redefluss

Sobald der natürliche Redefluss beim Sprechen gestört wird, durch lange Pausen oder Zwischenlaute („äh“, „na ja“, „und“), fällt das dem Zuhörer schnell auf. Ein betroffenes Kind, das nicht flüssig spricht, fällt den Eltern ebenfalls schnell auf. In der Regel diagnostiziert der Kinderarzt eine „Stottersymptomatik“. Ist das Kind noch sehr jung (bis ca. 4. Lebensjahr) spricht man vom „Entwicklungsstottern“ – das Kind möchte einfach viel mehr erzählen, als es in der Lage ist. Aber mit dem Schuleintritt sollte das Kind flüssig sprechen können. Ist das nicht der Fall, spricht man von Beeinträchtigungen auf der „Ebene des Redefluss“.

Oftmals ist es jedoch so, dass betroffene Kinder individuelle Probleme auf mehreren Sprachebenen aufweisen und diese miteinander verknüpft sind. Das heißt, dass z.B. Probleme mit der Aussprache zeitgleich mit grammatischen Auffälligkeiten auftreten können („Hab am Wochenende dedrillt mit mein Papa.“) oder dass Kinder mit Wortschatzproblemen auch Probleme mit dem Sprachverständnis haben. Bleiben vorhandene Sprachauffälligkeiten unbeachtet, können sich aus ihnen Lernstörungen und Verhaltensstörungen entwickeln bzw. verstärken. Des Weiteren können Sprachauffälligkeiten auch Störungen im Schriftspracherwerb nach sich ziehen.